Willkommen in Kördorf
Willkommen in Kördorf

Die Reifenmühle

Mahlmühle

 

 

Mit Freude haben sicher damals die Kördorfer die Nachricht aufgenommen, dass bald nach 1560 am „Dorst“ (Dorst, Dörst, Durst = alter Name des Dörsbaches) eine Mühle gebaut werden soll. Die Verwirklichung des Projektes befreit nämlich die Dorfbewohner davon, weiterhin in der etwa vier Kilometer entfernt gelegenen Breitenbacher (Linden-) Mühle bei Ergeshausen (Nr. 10) ihr Getreide mahlen lassen zu müssen.

 

 

Unter einem Wassergang verstand man früher nicht den Gang zum Wasser sondern des Wassers zum Betriebe einer sich bewegenden Mechanik, zum Beispiel von Hämmern oder Mahlwerken. 1564 wird von einem solchen Wassergang „auf der Dursten“ (Dörsbach) berichtet. Er gehört zu einem in diesem Jahr von dem Kördorfer Ehepaar Jost (Jodokus) und Gredt (Margarete) Fritges mit Genehmigung der Abtei Arnstein „in der Reiffwiese“ erbauten Mühlchen. Für die Benutzung des Bachwassers haben die Mühlenbesitzer dem Kloster ab 1568 jährlich ein Achtel Korn als Wasserlaufzins zu entrichten. Die von Arnstein ausgesprochene Genehmigung sowie die der Abtei zustehende Kornabgabe lassen darauf schließen, dass die Klosterherren gewisse Rechte an diesem Bachabschnitt besitzen.

 

 

Wegen Überschuldung müssen die Müllersleute bereits 1569 der Abtei die Mühle verkaufen, erhalten sie aber von dort pachtweise in Erbbestand. Aus dieser Zeit rührt die Bezeichnung „Arnsteinische Mühle“, während sie sonst nur nach ihrer Lage bzw. ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinde als „Mühle auf der Durst“ (Dürst, Dörst) oder „Mühle zu Kördorff“ benannt wird. 1649 erfolgt eine zusätzliche Benennung. Nun heißt es „Mühle auf der Dörst, die Reiffenmühle.“ Sie ist 1652 wieder in Privatbesitz, als der Müller Georg Strack, Müller Göorg genannt, die „Arnsteinische Mühle“ dem Oberst Freiherr von Hohenfeldt verkauft.

 

 

Mehrfach hören die Besitzer der Reifenmühle auf Familiennamen, die auch Müllern anderer Mühlen eigen sind, darunter auch Philipp Adam Läutenbächer (Leidenbächer), der 1672 eine im 30-jährigen Krieg zerstörte Mühle am Rupbach (unterhalb von Bremberg) wieder aufbaut. Vier Jahre darauf errichtet er „einen guten Steinwurf“ bachabwärts in der Gemarkung Gutenacker eine Ölmühle, an die er im Jahr darauf (1705) eine Mahlmühle, die heutige Justus-Mühle (Mühlenbäckerei Fetter) anbaut. Auf diese Weise gelingt es dem begüterten Müller, auch seinem Sohn und seinem Schwiegersohn zur Selbständigkeit in einer eigner Mühle zu verhelfen. Bald nach 1710 kommt die Reifenmühle durch Einheirat in den Besitz des Johann Georg Schmidt. Mit diesem Familiennamen werden wir auch bei den beiden benachbarten Kördorfer Mühlen Bekanntschaft machen. Die Schmidts in der Reifenmühle bleiben bis zu deren Verkauf ihre Besitzer.

 

 

Seit Anfang des 18. Jahrhunderts befindet sich bei der Reifenmahlmühle auch eine separate Ölmühle. Trotz dieser Betriebserweiterung kommt es im Verlauf dieses Jahrhunderts zu Vermögenseinbußen infolge des Konkurrenzdrucks, indem im mittleren Dörsbachtal weitere Mühlen gebaut werden. Die vier in der Nähe entstandenen neuen Mahlmühlen haben erheblich weniger Abgaben zu leisten als die mit acht Maltern Roggen belastete Reifenmühle. Nach mehreren Beschwerden und Erlassgesuchen und einem Brandunglück 1774, wobei zum Glück das 1743 errichtete neue Mühlengebäude weitgehend verschont geblieben ist, wird von dem Landesherrn die Wasserpacht 1789 „aus Gnaden“ auf die Hälfte herabgesetzt. Existenzbedrohend für die kleinen Getreidemühlen, die nur über einen Mahlgang (Mühlsteinpaar) verfügen, sind sommerliche Unwetter. So hat z.B. 1832 und erneut 1852 ein Hagelschlag in der Gemeinde Kördorf, dem Ort, aus dem die meisten Kunden der Reifenmühle stammen, fast das gesamte Getreide auf den Feldern vernichtet. Die sich daraus ergebende Missernte versetzt den Müller in eine Notlage, wodurch er außer Stande gerät, die fällige Wasserlaufgebühr zu entrichten.

 

 

Um 1880 besteht das Mühlenanwesen aus sechs Gebäuden, darunter das ansprechende Fachwerkwohn- und Mühlenhaus, mehrere Ställe, eine Scheune und ein Backhaus. Aus dem Umstand, dass Heinrich Schmidt 1890 letztmalig Steuer für den Mühlenbetrieb entrichtet, kann auf die Arbeitseinstellung in diesem Gewerbezweig geschlossen werden. Die Landwirtschaft wird noch einige Jahrzehnte fortgesetzt, bis 1938 ein Frankfurter Landschaftsgestalter den gesamten Gebäudebestand übernimmt, restauriert und zu seinem zweiten Wohnsitz ausbaut.

 

 

Wanderer können sich am sorgfältig unterhaltenen Fachwerkensemble erfreuen. Die Reifenmühle ist von Kördorf aus über die Dörsbachstraße und einem bis zum Dörsbach geteerten Wirtschaftsweg zu erreichen. Vom Lahnhöhenweg (siehe Jammertalsmühle) aus ist die Reifenmühle sehr gut zu sehen.



Ölmühle

 

Die Mahlmühle „auf der Reifwiese“ besteht schon länger als 100 Jahre, als 1702 „auf der Dörst“ (Dörsbach) eine weitere Mühle erbaut wird, für die ab 1703 eine in Geld zu entrichtende Gebühr, der Wasserlaufzins, erhoben wird. Von dieser Mühle heißt es 1713, sie sei eine „Ohlenmühle“. Zunächst bilden - wenn auch gebäudemäßig getrennt - beide Mühlen eine Einheit an diesem Standort. Infolge der Teilung des elterlichen Vermögens erhält Georg Wilhelm Schmidt 1855 die Mahlmühle, während seinem Bruder Friedrich Philipp die Ölmühle zufällt. Zusätzlich zur Müllerei betreiben beide Landwirtschaft, denn 1867 besitzt der Mahlmüller außer dem Mühlenhaus, in dem er auch wohnt, noch eine Scheune und einen Stall. Der Ölmüller wohnt getrennt von seinem Ölmühlengebäude in einem separaten Wohnhaus. Auch er ist Eigentümer einer Scheune und eines Stalles, denn von der Ölmüllerei allein, die mit einer Betriebszeit von zwei Monaten jährlich veranschlagt ist, kann er seine Familie nicht ernähren. Im Kördorfer Grundbuch aus den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts sind die Gebäude und der Wasserlauf zu den beiden Mühlen eingetragen. Dabei handelt es sich um insgesamt acht Bauwerke unterschiedlicher Bestimmung (zum Wohnen, für Gewerbe und Landwirtschaft).

 

Es ist unwahrscheinlich, dass die Ölmühle das Ende des Jahrhunderts noch in Funktion erlebt, denn 1882 ist im Gebäudesteuerkataster diese Mühle nicht mehr ausgewiesen. Zudem hat der gesamte Mühlenkomplex mit Mahl- und Ölmühle in Heinrich Schmidt nur noch einen Besitzer, jedoch ohne die Berufsangabe „Müller“.