Willkommen in Kördorf
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Die Neuwagenmühle

Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts haben Mühlenneubauten am mittleren Dörsbach Konjunktur. Zwischen 1707 und 1723 werden allein fünf Mahlmühlen im Jammertal errichtet. Darunter ist auch eine zweite Mahlmühle bei Kördorf. David Thiel ist ihr Bauherr. Nach ihm wird die 1712 erbaute Mühle als „David-Thielen-Mühle“ bezeichnet. Auch unter dem Namen „Neue Kördorfer Mühl“ kommt sie vor. Ihr Standort befindet sich „am Waag“ (Waag, Woog = tiefe Stelle im Bach, wo das Wasser gestaut ist). Vermutlich führt dieser Sachverhalt zu dem spätestens ab 1770 gebräuchlichen Namen „Neuwagenmühle“. Unter Berücksichtigung der Lage des Mühlenplatzes am Waag erscheint die Deutung des Ausdrucks in Verbindung mit der Anlage eines zur Mühle führenden breiten Weges für (Pferde-)Wagen als zweifelhaft. 1719 heißt es nämlich, die neue Mühle zu Kördorf läge „am Waag“, und 1787 wird sie „neue Mühle an dem Waagen Weg“ genannt. Besitzer ist zu dieser Zeit Philipp Adam Hehn (Henn), der 1775 die Müllerstochter Elisabeth Katharina Neidhöfer aus der Christian-Neidhöfers- oder Neuwagen-Mühle geheiratet hat. Er sowie die Müller in der Reifen-, Kessel-, Dillenberger- und Brückenmühle bachaufwärts sind verpflichtet, „herrschaftliche Hunde“, d.h. Jagdhunde für den Landesherrn zu halten. Henn stammt aus der 1587 konzessionierten Hasenmühle im Diefenbach-(=Hasenbach-) Tal (Gemeinde Roth). Henns Name stand Pate hat für die volkstümliche und heute noch gebräuchliche Bezeichnung „Henne-Mühl“ (für die Neuwagenmühle) Pate gestanden.

 

Wie die allermeisten Mühlen am Dörs- und Hasenbach, so verfügt auch die Neuwagenmühle nur über einen Mahlgang zum Vermahlen des Getreides zu Mehl-, Back- und Futterschrot. Ende 1851 wandert der Müller Johann Christian Henn nach Amerkia aus. Seine Mühle tritt er für 3000 Gulden an den Landwirt Friedrich Schmidt III „aus dem armen Dorf Roth“ käuflich ab. Wie manch einer seiner Berufskollegen, so hat auch der neue Müller unter den Unbilden der Witterung zu leiden. Ein am 30. Juli 1862 über Kördorf niedergegangener Wolkenbruch, dessen Wasser durch einen Flutgraben genau auf die Mühle talwärts strömt, reißt des Müllers Scheune samt Heuvorräten, den Stall, den Fuhrwagen und mehrere Ackergeräte weg. Der Sturzbach führt Schlamm und Geröll mit sich; Schutt- und Dreckmassen lagern sich genau vor der Mühle ab und verhindern trotz der Hilfe, die von Bewohnern der Dörfer Kördorf und Roth geleistet wird, für mehrere Wochen den Mahlbetrieb. Den entstandenen Schaden beziffert der Müller auf 2000 Gulden; 1000 Gulden mehr hat er 11 Jahre zuvor für den Ankauf der Mühle bezahlt. Wegen des Unglücks werden ihm die sechs Malter Korn, die er als Wasserlaufzins schuldig ist, für das laufende Jahr erlassen. Der tiefe Flutgraben, der sich im Laufe der Jahrhunderte gebildet hat, ist heute deutlich als Erosion neben dem nach Kördorf führenden Weg bis Waldende zu erkennen. Der sogenannte „Mühlgraben“ ist anschließend ein kurzes Teilstück verrohrt und verläuft dann offen an der Pumpstation Kläranlage vorbei bis zum Wirtschaftsweg unterhalb desersten Kördorfer Hauses in der Dörsbachstraße.

 

Eine Möglichkeit, den Mischbetrieb Mühle und Landwirtschaft durch zusätzlichen Verdienst rentabler zu machen, ergibt sich 1921, als der Mühle eine Gastwirtschaft angegliedert wird, die sich über die Ortsgrenze hinaus - insbesondere nach dem Krieg - eines lebhaften Zuspruches erfreut. Trotz Erneuerung der Antriebstechnik 1951, wird Ende dieses Jahrzehnts der Mühlenbetrieb eingestellt. Nach dem Verkauf des gesamten Anwesens 1973, gibt es keinen Ausschank mehr, enden Tanz und Geselligkeit im - wie der Türsturz es ausweist - 1803 erbauten Mühlenhaus.

 

Die neuen Besitzer haben das drei Meter hohe Wasserrad durch ein Metallrad ersetzt, das die Mühle über einen Wechselstromgenerator mit Strom versorgt. Ein Hinweisschild am Zugang zum Mühlenhaus fordert die Wanderer dazu auf, sich bemerkbar zu machen, was besagt: Gäste sind willkommen.

 

Die Neuwagenmühle ist von Kördorf aus ebenfalls über die Dörsbachstraße und dem bis zum Dörsbach geteerten Wirtschaftsweg zu erreichen. Der Lahnhöhenweg (siehe Jammertalsmühle) führt direkt an der Mühle vorbei.